Warum gelingt es uns oft nicht, unangenehme Aufgaben einfach zu erledigen? Eine denkbar einfache Regel hilft, Dinge nicht länger aufzuschieben und zu verdrängen – sondern sofort anzupacken.
Erstmal Staubsaugen
Das Problem ist hinlänglich bekannt: Es gibt Dinge, die wir erledigen müssen. Zum Beispiel eine Hausarbeit pünktlich zum Abgabetermin fertigschreiben, eine Präsentation bis zum Meeting verschickt haben, die Steuererklärung, und so weiter. Und es gibt Dinge, die wir lieber erledigen, besonders in den Momenten, die wir ja eigentlich für die Steuererklärung, die Hausarbeit, die Präsentation, nutzen wollten. Zum Beispiel mal schnell das Wohnzimmer staubsaugen; oder gucken, ob man auch wirklich keine neuen Mails bekommen hat; oder endlich mal alle unnötigen Dokumente von der Festplatte löschen.
Prokrastination, wie das Aufschieben unangenehmer Dinge genannt wird, kann tatsächlich krankhafte Ausmaße annehmen; aber auch Leute, die nicht dauerhaft unter körperlichen oder psychischen Beschwerden leiden, weil sie ständig etwas aufschieben, kennen natürlich den Frust, den Ärger über sich selbst, womöglich die Verzweiflung, wenn man es wieder nicht geschafft hat, sich einer Sache anzunehmen, die man sich ganz fest vorgenommen hatte.
Nicht nachdenken, handeln!
Hier kommt die „5-Sekunden-Regel“ der amerikanischen Autorin Mel Robbins ins Spiel, die die Kolleg*innen von Incsich genauer angesehen haben:
Ihre grundsätzliche Annahme: Wer prokrastiniert, der will nicht einer bestimmten Aufgabe aus dem Weg gehen, sondern dem Stress, den er im Zusammenhang mit dieser Aufgabe vermutet. Und Stressvermeidung sei keinesfalls zu verurteilen, sondern ein von der Evolution in uns angelegtes Verhalten. Das schonmal zum Trost.
Robbins beginnt mit einer Analogie: Stell dir vor, du sitzt am Strand, lässt deine Füße vom Wasser umspülen, und bemerkst plötzlich im Wasser in deiner Nähe ein Kind, das offensichtlich in Not ist. Kein*e Rettungsschwimmer*in ist in der Nähe, und auch ansonsten niemand, der oder die helfen könnte. Du weißt nicht, wie tief das Wasser an der Stelle ist, sondern du siehst nur, dass das Kind in Schwierigkeiten ist. Was also tust du? Höchstwahrscheinlich nicht erst eine Risikoanalyse erstellen, bevor du ins Wasser springst und dem Kind hilfst.
Solche „No-brainer-Entscheidungen“ werden von Neurowissenschaftler*innen mit großen Interesse untersucht – diese von Emotionen geleiteten Entscheidungen, so besagt es der Forschungsstand, sind genau so wichtig wie Entscheidungen, die rational und analytisch zustande kommen. Sollte der Teil des Gehirns, der für die so genannten „Bauchentscheidungen“ zuständig ist, beschädigt sein, würde man nicht mehr in der Lage sein, selbst kleinste und einfachste Entscheidungen zu treffen. Was wir Bauchentscheidung nennen, ist eine von der Evolution bewusst so angelegte Fähigkeit, in elementar wichtigen Situationen nicht in ein Hin und Her der Abwägungen zu geraten, sondern sofort handeln zu können.
Wenn das Gehirn dichtmacht
Und hier setzt der Zusammenhang zur Prokrastination an: Wenn es uns gelingt, bei der Gefahr des Prokrastinierens diesen Part des Gehirns zu aktivieren, der für die schnellen Entscheidungen zuständig ist, und damit den Kreis zu durchbrechen, sind wir aus dem Schneider. Bei Stress, also dem Grund unserer Prokrastination, macht dieser Teil des Gehirns aber dicht; erst wenn wir mit dem Rücken zur Wand stehen, wird auch der für Rationalität zuständige Teil des Gehirns nervös und bringt uns dazu, endlich die Aufgabe zu erledigen – dann ist es aber womöglich zu spät.
Der Schlüssel zum Erfolg ist also, das Areal für die Bauchentscheidungen zu aktivieren, bevor es zu spät ist. Und hier kommt die 5-Sekunden-Regel endgültig ins Spiel:
1. Erkenne an, dass du gestresst bist
Du musst das nicht ausführlich analysieren, gib dir dafür keine Schuld, sondern akzeptiere es einfach als Konsequenz aus Stress, der auf dich einwirkt. Das nimmt ein wenig den Druck raus und hilft dem Gehirnareal, das für schnelle Entscheidungen zuständig ist, bei der nächsten Entscheidung eine Rolle zu spielen.
2. Triff eine 5-Sekunden-Entscheidung, die genau das Gegenteil von einer klassischen Stressreaktion ist
Robbins nennt das eine mutige Entscheidung: „Wenn du mutig handelst, spielt dein Gehirn dabei keine Rolle. Dein Herz spricht zu dir, und du hörst zu“ – genau wie bei der Analogie des ertrinkenden Kindes. Man solle also nicht analytisch an den Stress rangehen und sich fragen, wie man mit ihm umgehen könnte – sondern genau das Gegenteil tun: nämlich die Entscheidung treffen, in den nächsten fünf Minuten genau das zu tun, wovor man solche Angst hat, und was einem solchen Stress bereitet, dass man es am liebsten aufschieben würde, also: Den Anruf machen, den man schon so lange vor sich herschiebt; fünf Minuten an dem Text schreiben, der einen quält. „Es ist egal, was dabei herauskommt“, sagt Robbins. „Solange du innerhalb von fünf Sekunden die Entscheidung triffst, dich fünf Minuten lang deinen Ängsten und deinem Stress zu stellen, gelingt es dir, den Kreislauf zu durchbrechen, der dich blockiert“.
Die fünf Sekunden, beschreibt Robbins, seien essentiell, um das für schnelle Entscheidungen zuständige Gehirnareal zu triggern, und gleichzeitig den Teil, der für das Analytische zuständig ist, nicht zu stark werden zu lassen.
Die 5-Sekunden-Regel sei kein Allheilmittel, sagt Robbins; aber die simple Erkenntnis, dass Prokrastination eine völlig natürliche und wirkungsvolle Reaktion auf Stress ist, und dass man immer nur fünf Sekunden davon entfernt ist, eine Entscheidung zu treffen, kann schon ein großer Sprung sein auf dem Weg, sich von dem irrationalen Klammergriff der Prokrastination zu befreien.
Titebild: Depositphotos
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